Vogtlandkreis kündigt grundlos unsere Zusammenarbeit

[04.06.2025] Landratsamt Vogtlandkreis kündigt ohne Angabe von Gründen die Zusammenarbeit mit dem Autismuszentrum Vogtland e.V., das nun juristisch gegen die rechtswidrige Kündigung vorgehen wird

Mit Schreiben vom 13.05.2025 hat das Landratsamt die Leistungsvereinbarungen und somit die Zusammenarbeit in den Bereichen Schulbegleitung im Rahmen der Eingliederungshilfe, die Assistenzleistungen in Form von familienunterstützendem Dienst, begleitender Elternschaft und Sozialkompetenztraining zum 31.12.2025 ohne Angabe von Gründen gekündigt.

Am 27.05.2025 wurde der Pionierin der Autismus-Hilfe Sabine Heckel von Ministerpräsident Michael Kretzschmer (CDU) für den Einsatz für autistische Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern für die Gründung einer Selbsthilfegruppe und eines Autismus-Kompetenzzentrum in Auerbach das Bundesverdienstkreuz verliehen. Sie gründete den Verein 2005 mit und leitete diesen viele Jahre. Ohne sie gäbe es den Verein Autismuszentrum Vogtland e.V. nicht. Zuvor hatte es keine professionelle Hilfe zur Diagnostik, Frühförderung, Therapien und Familienhilfe für autistische Kinder und Angehörige gegeben. „Es ist beeindruckend, was Sie (…) geleistet und bewegt haben. (…) Dafür gebührt Ihnen großer Dank und große Anerkennung“, sagte Ministerpräsident Michael Kretzschmer (CDU), der die Auszeichnung damals in Dresden übergab.

Über die Kündigung der Zusammenarbeit wusste der Ministerpräsident zu diesem Zeitpunkt offenbar nichts. Im vorliegenden Fall hatte das Landratsamt ordentliche Kündigungen der zwischen den Parteien bestehenden Vereinbarungen ausgesprochen. Die Kündigung stützt sich offenbar auf die im Vertrag vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende, da keine konkreten Kündigungsgründe benannt wurden.

Die zwischen dem Autismuszentrum und dem Landratsamt geschlossene Vereinbarung enthält zwar eine ordentliche Kündigungsklausel, die grundsätzlich eine Kündigung auch ohne Angabe von Gründen ermöglicht. Diese Vertragsfreiheit ist jedoch im öffentlichen Recht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes sowie durch die besondere Schutzpflicht des Leistungsträgers gegenüber den Leistungsberechtigten eingeschränkt. Darüber hinaus wird die Vertragsfreiheit durch die Berücksichtigung der sozialen und fachlichen Rahmenbedingungen begrenzt.

Öffentlich-rechtliche Verträge dürfen nicht ohne sachlichen Grund und ohne angemessene Berücksichtigung der Folgen für die Beteiligten gekündigt werden. Die Kündigung darf nicht willkürlich erfolgen, sondern muss verhältnismäßig sein und darf zu keiner unangemessenen Benachteiligung der Vertragspartei oder der Leistungsberechtigten führen. Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit hat das Autismuszentrum berechtigte und schutzwürdige Erwartungen hinsichtlich der Fortführung sowie Anpassung der Vereinbarung aufgebaut und genießt einen entsprechenden Vertrauensschutz.

Die durch das Autismuszentrum betreuten Personen haben einen Anspruch auf eine kontinuierliche und verlässliche Versorgung. Die ausgesprochene ordentliche Kündigung gefährdet die Versorgungssicherheit der Leistungsberechtigten in erheblichem Maße. Das Landratsamt als öffentlicher Leistungsträger ist aufgrund seiner besonderen Fürsorgepflicht verpflichtet, die Interessen und das Wohl der Leistungsberechtigten zu schützen sowie eine Unterbrechung oder Einschränkung der Leistungen zu verhindern.

Vor Ausspruch der Kündigung ist nämlich eine sorgfältige Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei sind insbesondere die Folgen für die betroffenen Leistungsberechtigten, die regionale Versorgungsstruktur, der öffentliche Auftrag sowie die existenzielle Lage angemessen zu berücksichtigen. Aus der Kündigung des Landratsamtes wird allerdings nicht ersichtlich, dass eine solche Abwägung durchgeführt wurde. Zudem sind Alternativen zur Kündigung, wie etwa Anpassungen der Vereinbarung oder Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung, eingehend zu prüfen und auszuschöpfen. Ein laufendes Schlichtungsverfahren hätte hierfür den geeigneten Rahmen dargestellt.

Das anhängige Schlichtungsverfahren ist als ernsthafte und verbindliche Konfliktregelung mit einer gewissen Bindungswirkung zu verstehen. Eine Kündigung, die parallel zu diesem Verfahren ausgesprochen wurde, unterläuft dessen Zweck, ist als verfrüht zu bewerten und gefährdet den Erfolg der Vermittlung. Es ist daher geboten, das Landratsamt aufzufordern, dass die Kündigung bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens ausgesetzt oder zurückgenommen wird, um eine einvernehmliche Lösung zu ermöglichen.

Die Kündigung stellt eine existenzielle Bedrohung für das Autismuszentrum dar, da erhebliche Investitionen in Personal, Infrastruktur sowie in die Betreuung der Leistungsberechtigten getätigt wurden und noch getätigt werden. Der Verlust der Vereinbarung gefährdet sowohl Arbeitsplätze als auch die Leistungsfähigkeit. Diese sozialen Härten sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von dem Landratsamt besonders zu berücksichtigen und entsprechend zu gewichten.

Die Kündigungen sind in der derzeitigen Form nach der Auffassung des Autismuszentrum  rechtswidrig, da sie ohne sachlichen Grund erfolgte, unverhältnismäßig ist und die Interessen der Leistungsberechtigten sowie des Vereins nicht ausreichend berücksichtigt hat. Eine Kündigung ohne umfassende Berücksichtigung der Folgen und ohne transparente Kommunikation verstößt gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und den Vertrauensschutz. Das Landratsamt ist deshalb gehalten, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Im Interesse der Versorgungssicherheit muss die Kündigung zurückgenommen werden.

Das Autismuszentrum sieht die Kündigung angesichts der zentralen Bedeutung der Einrichtung für das Versorgungssystem und der damit verbundenen erheblichen Folgen für die betreuten Personen mit größter Sorge. Entsprechend fordern wir das Landratsamt auf, die Kündigung unverzüglich zurückzunehmen.

Bild: Kündigungsschreiben des Vogtlandkreises.